Octavian1977 schrieb:
Erweiterungen in Altanlagen genießen keinen Bestandsschutz!
Falsch!
Hier mal ein Ausschnitt aus der DE 21/2007:
In den Anlage einer Wohnungsverwaltung sind diverse Wohnungen noch in Zweidraht-Technik installiert. Immer wieder möchte die Verwaltung von uns einzelne Steckdosen nachinstalliert haben. Wir sind der Meinung, dass dies nicht zulässig ist und haben der Verwaltung die Neuinstallation der Räume vorgeschlagen. Wir hätten gerne von Ihnen Argumente, damit nicht – wie bisher geschehen – andere Installateure einfach mit dreiadrig nachinstallieren.
Können Sie uns einen Rat geben?
R. W., Schleswig-Holstein
Zuerst Bestandsschutz prüfen
Auch wenn es den Begriff »Bestandsschutz« in den Normen der Reihe DIN VDE 0100 (VDE 0100) nicht gibt, so gilt dennoch, dass eine elektrische Anlage, die zum Zeitpunkt Ihrer Errichtung den zum Zeitpunkt der Errichtung gültigen Normen entsprochen hat, in der vorhandenen Ausführung ohne zusätzlich Änderungen weiter betrieben werden darf (sofern sich der Zustand der Anlage nicht durch äußere Einflüsse gefährlich verschlechtert hat). Das gilt auch dann, wenn einzelne Betriebsmittel (einschließlich Kabel/Leitungen und Verteiler) ausgewechselt werden müssen. Und das gilt auch für elektrische Anlagen, die nach den Vorgaben der TGL errichtet wurden. Nur bei Nutzungsänderungen eines Raumes (z.B. ein Wohnraum wird in einen Raum mit Badewanne oder Dusche umfunktioniert oder aus einem nichtleitenden Raum wurde durch Einbau einer Heizung ein leitender Raum) müssen die neueren Normen zur Anwendung kommen.
Nachrüsten möglich?
Außerdem gibt es einige wenige Ausnahmen – die sich jedoch nicht auf die von Ihnen vorgesehenen Steckdosenstromkreise beziehen – zum Nachrüsten. Diese Forderungen sind im Beiblatt 2 zu DIN VDE 0100 (VDE 0100) enthalten. Wenn also die elektrischen Anlagen, in den von Ihnen angeführten Wohnungen vor 1973 errichtet wurden (bezüglich der Beitrittsländer gilt ein späterer Zeitpunkt), besteht keine grundsätzliche Handhabe auf Basis der VDE-Bestimmungen eine Anpassung zu fordern, weil die klassische Nullung erst nach 1973 nicht mehr angewendet werden durfte. Natürlich muss hierbei vorausge setzt werden, dass es sich bei der von Ihnen beschriebenen Zweidraht-Technik auch um die klassische Nullung handelte, d.h. eine wirksame Schutzmaßnahme gegeben war.
Klassische Nullung
Nach DIN VDE 0100 (VDE 0100):1973-05 durfte die klassische Nullung für Neuanlagen nicht mehr angewendet werden. Aber bezüglich Erweiterungen in Anlagen mit klassischer Nullung (Stromkreise mit PEN-Leiter unter 10mm2) war in etwa Folgendes festgelegt: In elektrischen Anlagen, in denen noch die Nullung ohne besonderen Schutzleiter vorhanden ist, muss vom Erweiterungspunkt (hinzufügen von Kabel/Leitungen für zusätzliche Einrichtung, z.B. von Steckdosen), z.B von einer Abzweigdose/Klemmraumschalterdose, bei Leiterquerschnitten unter 10mm2 Cu die Nullung mit besonderem Schutzleiter (entspricht heute dem Schutz durch automatische Abschaltung im TN-System) angewendet werden.
Praktische Konsequenzen
Bei Erweiterungen, z.B. Hinzufügen von Steckdosen bzw. zusätzlicher Stromkreisen in Räumen mit Badewanne oder Dusche, wird eine Aufteilung an einer Abzweigdose nicht möglich sein. In der derzeit gültigen Norm DIN VDE 0100-701 (VDE 0100-701):2002-02 ist gefordert, dass der Stromkreis – mit wenigen Ausnahmen – und nicht nur die Steckdose mit Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom nicht größer als 30mA zu schützen ist. Ein Stromkreis beginnt aber an der/den Sicherung(en), d.h. meist im Wohnungsverteiler.
Fazit
Auch wenn es in einigen Fällen sicher sinnvoll wäre, Altanlagen zu erneuern, so gibt es aber in den VDE-Bestimmungen keine Forderungen die Altanlagen an neuere Normen anzupassen. Dies setzt voraus, dass von der elektrischen Anlage keine Gefahr ausgeht, weil z.B. der Isolationswiderstand, wie er für wiederkehrende Prüfungen nach DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100) gefordert wird, nicht mehr eingehalten wird. Dieser Wert beträgt ohne angeschlossene Verbrauchsmittel hinter den Überstrom-Schutzeinrichtungen, bei geschlossenen Schalteinrichtungen mindestens 1000Ω/V Nennspannung, also 230kΩ. Mit angeschlossenen Verbrauchsmitteln hinter den Überstromschutzeinrichtungen, bei geschlossenen Schalteinrichtungen mindestens 300Ω/V Nennspannung, also 69kΩ.
W. Hörmannn