Überspannungsschutz

Diskutiere Überspannungsschutz im Forum Blitzschutz, EMV, Erdung & Potentialausgleich im Bereich ELEKTRO-INSTALLATION & HAUSELEKTRIK - Hallo zusammen, ich habe unlängst den Unterverteiler meiner Eigentumswohnung (BJ 82) von Neozed-Schraubsicherungen auf Automaten + FI für Bad...
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Flo32

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Hallo zusammen,

ich habe unlängst den Unterverteiler meiner Eigentumswohnung (BJ 82) von Neozed-Schraubsicherungen auf Automaten + FI für Bad und Küche umgebaut.

Soweit alles ok, ich würde nun gerne noch einen Überspannungsschutz für 2 best. Stromkreise (TV/HIFI und Server) einbauen. Leider ist kein Platz mehr auf der Hutschiene vorhanden und ich möchte nicht die Wand aufstemmen, um einen neuen UV einzubauen.

1. Frage: Im UV kommen PE+N auf gemeinsamer Klemme an (TNC). Hat hier ein Überspannungsschutz überhaupt Sinn, wenn an der allgemeinen Hausinstallation nichts geändert werden kann? Der Schutz kann ja so nur Spannungen zwischen L und PE/N abfangen. Reicht das? Ich stelle mir vor, daß man nach dem Si-Automaten des betr. Stromkreises einen Überspannungsschutz installiert, der dann bei Überspannung niederohmig wird und den Automaten auslöst.

2. Frage: Falls es Sinn macht, gibt es Module, die nicht auf die Hutschiene gesteckt werden, sondern im freien Raum oberhalb der Automaten hinter die Frontblende montiert werden können?

Vielen Dank,

Flo
 
Flo32 schrieb:
ich habe unlängst den Unterverteiler meiner Eigentumswohnung (BJ 82) von Neozed-Schraubsicherungen auf Automaten + FI für Bad und Küche umgebaut.

Soweit alles ok, ich würde nun gerne noch einen Überspannungsschutz für 2 best. Stromkreise (TV/HIFI und Server) einbauen. Leider ist kein Platz mehr auf der Hutschiene vorhanden und ich möchte nicht die Wand aufstemmen, um einen neuen UV einzubauen.
Kein Problem, setz halt einen kleinen 12TE-Aufputz-Verteiler Neben, über oder unter die UV (Vorsicht: Keine Leitungen anbohren, schau also erst genau, woher die Leitungen kommen und benutze wenn möglich auch ein Leitungssuchgerät!)
Wichtig: In deinem Fall sind mindestens Kategorie-C-Ableiter erforderlich, diese müssen aber VOR den FI, ansonsten besteht Brandgefahr! Mehr dazu weiter unten!


1. Frage: Im UV kommen PE+N auf gemeinsamer Klemme an (TNC). Hat hier ein Überspannungsschutz überhaupt Sinn, wenn an der allgemeinen Hausinstallation nichts geändert werden kann? Der Schutz kann ja so nur Spannungen zwischen L und PE/N abfangen. Reicht das?
Ein Überspannungsschutz ist hier problemlos realisierbar (TNS ist zwar natürlich noch ein besseres Konzept, aber letztlich ist ein Überspannungsschutz ein Potentialausgleich - und wenn das Potential zwischen allen Leitern nicht über den Normalwert ansteigt, kann nichts passieren, egal welche Netzform! Wichtig ist aber, auch andere Leitungen zu schützen, z.B. Telefonleitungen, Antennenleitungen, ... etc.

Ich stelle mir vor, daß man nach dem Si-Automaten des betr. Stromkreises einen Überspannungsschutz installiert, der dann bei Überspannung niederohmig wird und den Automaten auslöst.
Klassischer Denkfehler: Ein Überspannungsschutz ist ein Potentialausgleich, der Netzfolgeströme meist selbst löscht. Man teilt Überspannungsableiter in drei Kategorien ein (jeweils drei Bezeichungen sind üblich):

- B/1/I: Grobschutz: Muss Blitzteilströme bis zu 100kA bei Wellenform 10/350µs mehrfach zerstörungsfrei führen können, Anbindung ans Netz sollte NICHT weniger als 16mm² betragen. Er begrenzt die Überspannung weiteren Leitungsnetz je nach Modell auf 5kV (unkoordinierte Ableiter) bis 1,3kV (koordinierte Typen). Wichtig bei Vorhandensein eines Äußeren Blitzschutzes (Blitzableiter), bei Dachständer-Einspeisung, Verzweigten Außenanlagen und in Industriegebieten. Blitzstromableiter werden möglichst nah an Leitungsein- und austrittsstellen des Gebäudes installiert, also z.B. direkt zwischen HAK und Zählerschrank.

- C/2/II: Mittelschutz: Der relevanteste Ableitertyp! Er sollte in keiner guten Installation fehlen, seine Aufgabe besteht einerseits darin, gemäßigte Gewitterbedingte Überspannungen weiter zu begrenzen (je nach Modell 2kV bis 0,7kV) und Schalthandlungsbedingte Überspannungen zu eliminieren. Ein Mittelschutz ist die zentrale Komponente eines Überspannungsschutzkonzepts, denn Überspannungen, die in diesen Spannungsbereich fallen, können überall vorkommen. Wenn größere Verbraucher bzwl kapazitive oder induktive Lasten geschaltet werden, kann es zu starken Potentialerhöhungen kommen. Mittelschutzableiter haben eine schnellere Reaktionszeit als Grobschutzableiter und werden in allen Unterverteilungen und anderen relevanten Verteilstellen installiert. Das Ableitvermögen beträgt in der Regel 15 bis 30kA bei Wellenform 8/20µs. Das ist der Ableitertyp, der für dich primär in Frage kommt.

- D/3/III: Feinschutzableiter werden so nah wie möglich bei den Geräten installiert (z.B. als Zwischenstecker, Steckdoseneinsatz oder Verteilereinbaugerät). Je nach Qualität reduziert der Feinschutz die verbleibende Überspannung auf 500 bis 1500V und kann normalerweise zwischen 1kA und 10kA bei 8/20µs ableiten.

- Kombischutz B und C: Es gibt eine Reihe von Kombischutzableitern für diesen Bereich - einige vereinen vollwertige 100kA-Grobschutz-Löschfunkenstrecken mit hochleistungsvaristoren (z.B. Dehnventil TNC/TNS/TT -modular), andere sind in der Haupsache Mittelschutzableiter mit besonders hohem Ableitvermögen und/oder redundanter Bestückung, sodass diese leicht in den Bereich Grobschutz gehen (z.B. OBO V25-B-C). Letzterer wäre für dich IMHO besonders geeignet, da bei dir wohl kein vollwertiger Grobschutz installiert werden kann, die Anbindung für 30kA-Varistoren aber wahrscheinlich vollauf reicht!

Von Kombiableitern für Unterverteilungen, die C und D kombinieren, rate ich eher ab - es gibt zwar seltene Exemplare, die diese Bezeichnung verdienen, die meisten sind aber nicht ausreichend koordiniert (z.B. voneinander entkoppelt) und bringen so nicht den gewünschten Schutz.

Aufgrund der hohen Ableitkapazitäten dürfen B und C-Ableiter nicht hinter normalen FI-Schutzschaltern und gewöhnlichen Leitungsschutzschaltern betrieben werden, da bei einer Überspannung der Vorgeschaltete LS oder FI ziemlich sicher auslösen würde - bei einer starken Überspannung wird dabei die Abschaltkapazität von FI oder LS (in der Regel maximal 10kA) mitunter weit überschritten, der Lichtbogen kann nicht mehr im LS oder dem FI gelöscht werden und der Schutzschalter kann daraufhin verbrennen - es gibt Fälle, in denen man den Schalter danach kaum mehr identifizieren konnte. Um das zu verhindern, greift man im normalen häuslichen Bereich auf Schmelzsicherungen, z.B. Neozed oder NH zurück. Deren Einsätze können zwar bei Blitzteilströmen (die bei dir nicht auftreten sollten) prinzipiell platzen, aber selbst dann kann nicht mehr passieren, als dass man den Sicherungssockel tauschen muss. Aber sowas passiert selten und in Mietwohnungen, die oft eine eigene Mittelspannungsanbindung haben, eigentlich garnicht.

Man sollte sich übrigens ob dieser Schilderungen nicht vom Einsatz von Überspannungsableitern abschrecken lassen! Überspannungsschutz ist heutzutage sehr wichtig und selbst wenn es (z.B. bei Dachständeranbindung) mal zu einem Fall von Explosion einer NH- oder Neozedpatrone kommt, verursacht dies vielleicht geringfügige Kosten, mehr aber nicht! Wären dieselben Blitzteilströme aber ungehindert in die Endstromkreise gelangt, hätte man die komplette Hauselektrik womöglich erneuern können. Bei sehr hohen Strömen verdampfen nicht-Blitzstrom-tragfähige Leitungen mitunter so schnell, dass der Putz aus der Wand gesprengt wird (selber Effekt wie bei den Sicherungen). Also lieber schützen - denn auch geringere Überspannungen können mehr als ärgerlich sein, wenn z.B. die Komplette Elektronik hin ist - vielleicht noch inklusive wichtiger Daten!

In deinem Fall würde ich es (mit Vorbehalt, da ich keine Bilder der Verteilung und genaue Daten vorliegen habe) Folgendermaßen machen: Lagere aus deinem Verteiler soviele Leitungsschutzschalter in den nebenverteiler aus, bis mindestens drei TE frei sind - damit du einen Hauptschalter installieren kannst (bitte hochwertiges Modell für mindestens 63A verwenden, z.B. Moeller IS-63, gibts für unter 20 Euro). Eine Abschaltmöglichkeit sollte IMMER vorhanden sein, sonst ist man im Notfall vielleicht aufgeschmissen. In den Nebenverteiler kommen 3 Mittelschutzableiter, evtl eine Vorsicherung für die Ableiter (Neozed) und die ausgelagerten LS (idealerweise die LS der Stromkreise die besonders geschützt werden sollen). Wenn dir das optisch nicht gefällt, gibt es auch noch eine möglichkeit: Nimm den Unterputzverteiler heraus und montiere über dem Loch einen neuen Aufputzverteiler mit ausreichend Platz! evtl muss man einen kleinen Teil des Ausbruchs verspachteln, aber das ist in der Regel kein großes Problem!

Den Feinschutz kannst du dann bei den Geräten über die erwähnlten Feinschutzableiter realisieren, hier würde ich nicht das billigste nehmen - beim Server ist z.B. eine USV mit Feinschutz eine gute sache und für die anderen Sachen hochwertige Ableiter (kostenpunkt in der Regel 40 Euro pro Feinschutz - wenn du dir nicht sicher bist, kannst du mich auch vorher fragen). Lass dich nicht von utopischen Kapazitäten wie 80kA (80000A) oder 120kA täuschen - über 1,5mm² geht nur bis zu 7,5kA, normalerweise eher 2-4kA, über 2,5mm² nur bis zu 12kA (in der Regel 3-8). Diese Steckdosenleisten mögen zwar trotzdem einen guten Feinschutz bieten, aber sie ersetzen keinesfalls einen guten Mittelschutz!

2. Frage: Falls es Sinn macht, gibt es Module, die nicht auf die Hutschiene gesteckt werden, sondern im freien Raum oberhalb der Automaten hinter die Frontblende montiert werden können?
Es gibt Hochleistungsvaristoren, die man prinzipiell so montieren könnte - die haben aber keine Abtrennvorrichtung und dürfen demnach nicht so ungeschützt angebracht werden!

Du wirst sicher Fragen haben, die kannst du gerne stellen! Gut wäre allerdings, wenn du mir noch Informationen zukommen ließest, im Detail folgende:
- Fotos der Verteilung im ungeöffneten (Klappe natürlich offen) und geöffneten (Blende abgenommen) zustand soviel die Angabe der Maße (Breite/Höhe).
- Angabe zu den Querschnitten der Zuleitung und der Stromkreisleitungen
- Absicherung der Zuleitung

Die Schutzgeräte bekommt man bei ih-bäh in der Regel sehr viel günstiger als im Handel (gut, momentan sind die Preise auch da hoch, aber die Hälfte spart man in der Regel immer noch!)

MfG; Fenta
 
Danke @Fentanyl,

Wirklich ein sehr guter Beitrag, aus
dem ich noch etwas dazulernen konnte.

Gruß
Benjamin
 
Hallo Fenta,

erstmal herzlichen Dank für Deine fundierte Antwort. Leider habe ich das Problem, daß ich keinen AP-Nebenverteiler installieren kann (der UP Verteiler ist im Flur, davor hängt ein Spiegel, und die umgebende Wand ist aufwendig beschichtet (Stucco), so daß die optische Wirkung eines AP Verteilers verheerend wäre)
Aus Deinem Beitrag folgere ich, daß ich daher leider keinen vernünftigen (und v.a. vorschriftsmäßigen) Überspannungsschutz installieren kann. Zumindest bis ich meinen Flur mal umbaue ;-)

Trotzdem hat mir Deine Antwort sehr weitergeholfen, nochmals vielen Dank!

Florian
 
Hallo,

Okay, bitte :)

Noch drei Vorschläge:

Was befindet sich denn auf der anderen Seite der Wand?

Evtl. könnte man auch den Spiegel mit Abstandshaltern einen
Abstand des Spiegels von 15-20mm von der Wand erreichen. Dann könnte man den AP-Verteiler neben den Spiegel hängen.

Spiegel umhängen geht nicht?
 
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