Ich arbeite mit Mitarbeitern zusammen, die ü50 sind, nach mir eingestellt wurden und auf die ich in gewissen Bereichen gar angewiesen bin. Aktuell z.B. mit einem Kollegen, der die EMA errichtet. Da schraubt halt der Azubi den Großteil an und zieht die Leitungen, weil er das schneller kann - die Vorgabe, was wo und wie, die Anschlussarbeiten, die Parametrierung, die Absprachen mit dem Kunden macht o.g. Kollege. Und warum macht er das, wenn ich die Bauleitung habe? Weil er einfach mehr im Thema steckt und diese Dinge daher schneller und besser umsetzen kann. Dafür kann ich mich flexibler in neue Techniken einarbeiten, wie die IP-Videoanlage, wozu er wenig Motivation hat (etwas neues zu lernen).
Für mich gehört es dazu, dass erst eine Team-Arbeit aus unterschiedlichen Leuten zu einem Erfolg führt und dieses Ergebnis spiegelt sich dann auch beim Unternehmer in der Politik der Einstellung wider. Wenn ich ein 10-Mann-Team habe und einer steigt nicht auf die Leiter, weil er sich da unsicher fühlt, kann dafür spitze etwas anderes erledigen - Dann kann ich mich darüber ärgern oder es berücksichtigen und seine Befähigung nutzen. Und mir ist dabei, trotz auf Erfahrung beruhenden Vorurteilen, im Endeffekt egal, ob jemand jung, alt, Früh- oder Spätaufsteher ist, aus Indien, Afghanistan, den Staaten, Deutschland oder sonst woher kommt und ob er lieber Eier oder Speck zum Frühstück hat ...
Ich kritisiere nicht deine Erfahrungen, sondern dass du verschlossen bist gegenüber positiven Beispielen. Ich habe durchaus auch andere Unternehmen kennen gelernt und mit diesen zusammen gearbeitet, die nach den gleichen oder ähnlichen Prinzipien funktionieren. Ich habe auch Unternehmen kennen gelernt, wo der Angestellte nicht einmal soviel Wertgeschätzt wird wie den Umsatz den er generiert, sondern wo dieser als Last empfunden wird ... das ist in meinem Umfeld aber zum Glück die Ausnahme und nicht die Regel. Deine dargelegte Perspektive spiegelt aber grundsätzlich nur das Negative wider.
Wenn jemand etwas besser als ich oder gar überhaupt kann (ohne sich neu einzuarbeiten), dann habe zumindest ich auch den Schneid und gehe ins Büro jemanden anfordern, oder auf der Baustelle für diese Tätigkeit einteilen und kann meinen Chefs gegenüber durchaus darlegen, dass dieser Monteur die bessere Wahl dafür ist. Und wenn jemand einen Verbeserungsvorschlag oder Wunsch hat, dann bin ich durchaus gewillt, diesen umzusetzen. Natürlich geht das nicht immer, im Zweifel mache ich auch unbequeme Anweisungen, aber regulär wird jeder seinen Fähigkeiten nach eingesetzt. Und wenn es der Moral dient, weil mal wieder etwas stressig lief, dann wird halt Sonntag Nachmittag auch mal der Grill aufgestellt und dann dauert die Pause oder der Feierabend länger ...
Die einzig wirkliche Erwatungshaltung, die ich an einen neuen Mitarbeiter habe ist, dass er gewillt ist zu arbeiten und auch zu lernen. Mir ganz persönlich gehen Leute auf den Zeiger, die unnötig nörgeln. Wenn unser Fernmeldetechniker mal mithelfen soll einen schweren Schaltschrank aufzubauen, dann kann und werde ich das von ihm erwarten, auch wenn es nicht sein Aufgabengebiet ist. Mir gehen auch Leute auf den Senkel, die nicht zuhören können oder wollen und die grundlegend unselbstständig sind. Auch wenn ein Leihmonteur nicht zum planen auf eine Baustelle gerufen wird, darf (nein, muss!) er gerne Bescheid sagen, wenn er das letzte Paket Schrauben oder Klemmen oder Whatever aus dem Regal nimmt. Das sind für mich grundlegende Dinge und dann ist mir auch egal, ob jemand, weil älter, für eine Arbeit länger benötigt. Solange er seine Arbeit noch in vertretbarer Zeit (also nicht 3 Tage zum anbringen einer Leuchte!) erledigt, sauber arbeitet und vernünftig kommunizieren und sich eingliedern kann, gehe ich nicht hin und ersetze ihn durch einen jüngeren, der den halben Tag am Smartphone rumspielt, weil seine Freundin gerade Schulferien hat und Langeweile schiebt ohne Whatsapp und Facebook ... Der kann in seiner Pause am Handy daddeln soviel er will. Wenn er was leistet, kann er auch mal seine Pause um ne viertel Stunde überziehen, das wär mir auch egal ... oder wenns dringend wär ...
Ich bin oft jünger als der Altersdurchschnitt des Teams. Ich habe die Bauleitung. Und viele ältere haben (anfangs) ein großes Problem damit, sich von einem jüngeren und vermeintlich unerfahreneren Mitarbeiter etwas sagen zu lassen. Das ist eine sicher für Dich gänzlich unbekannte Perspektive, die zu meinem Alltag gehört. Deswegen stelle ich mich aber nicht her und diskriminiere ältere Menschen grundsätzlich auf Ihre Intoleranz oder mangelhafte Kooperation. Der größte Teil dieser Mitarbeiter hat es dann nämlich irgendwann auch geschnallt, dass dieses "Problem" keines ist, nur ein Hirngespinst, ein Bein, dass man sich selber stellt. ... und die anderen kamen auch mit dem Rest, also den älteren und auch den Vorgesetzten nicht reibungslos klar ... mit entsprechender Konsequenz.
Ich habe sogar einen Kollegen, der gerne ähnliches Verhalten zeigt wie Du. So einen der sich hinstellt und etwas nicht macht, weil er der Ansicht ist seine Befähigung wird nicht durch seinen Lohn gewürdigt und deswegen müsse er nicht mehr machen als mindestens verlangt. 2 Jahre lang hat er auf seinem (von ihm selbst ausgehandelten!) zu niedrigen Lohn beharrt, er könne keine (kleinere) leitende Funktion übernehmen, weil er dafür nicht bezahlt würde. Er hat es aber auch nicht geschafft anstelle auf zu wenig Lohn zu meckern, mal nach mehr zu fragen oder einfach mal mehr zu leisten und eine solche Forderung damit zu rechtfertigen. Das typische "sich selbst im Weg stehen" also. Letztendlich wurde dann intern beschlossen das ganze quasi zwangsweise auszuprobieren, da alle beteiligten sich einig waren, dass er mehr kann - wesentlich. "Du bekommst jetzt einen Dienstwagen, wirst 2 Lohngruppen höher eingestuft, 4 Tage mehr Jahresurlaub - Und du musst dich um XXX kümmern - 6 Leute, 4 Wochen". Punkt und Aus, da gab es keine Fragezeichen ... Gestern hat er bei mir ausgeholfen, ich hab den noch nie soviel lächeln sehen, er hat Spaß an seiner Arbeit anscheinend ... Aber man musste ihn dazu zwingen, mehr zu bekommen fürs mehr leisten, wozu er ungefragt imstande ist ... DAS IST VERSCHENKTES POTENTIAL für mich! Wenn er nicht manches mal so bockig gewesen wäre, sondern seiner Befähigung entsprechend handeln würde, stünde er gleichwertig mit mir und ich habe wenig Zweifel daran, dass er das noch erreichen wird, jetzt, wo "das Eis gebrochen" ist.
Glaub mir, egal wie viele Ausbeuter du finden magst, es gibt auch andere Unternehmer und Unternehmen und aus meiner Erfahrung heraus stehen sich die Leute definitiv viel zu oft selbst im Weg!